Plastik ist mittlerweile ein ständiger Begleiter in meinem Leben geworden. Sei es in seiner populärsten Art: als formstabiles 100% aus Plastik bestehendes Behältnis (bspw. Kaffeebecher, Salatschüsseln, Getränkeflaschen, Verpackungsmaterial, usw.), als Mischgewebe (bspw. wieder in Papier- und Pappbechern zur Verstärkung der thermischen Eigenschaften) oder als gewohntes Begleitmaterial wie Folien oder Tüten. Der Zwiespalt den ich bei mir aber auch teilweise in meinem Umfeld in Bezug auf Plastik erkenne, resultiert meiner Wahrnehmung nach aus zwei Dingen: Einerseits aus der GEWÖHNUNG an Plastik im Alltag – immerhin ein treuer Begleiter seit fast drei (!) Generationen - und andererseits die Auswirkungen auf unseren natürlichen Lebensraum – unseren Planeten – wie es in den aktuellen Nachrichten und Social Media Netzwerken in erschreckender Art und Weise regelmäßig dargestellt wird.
>>Wie kann etwas, das meine Großeltern bereits gekannt und genutzt haben, plötzlich schlecht für uns sein?<<
So oder so ähnlich haben meine ersten Gedanken angefangen, die neue „Plastikweltkriese“-Schlagzeile in den Medien einzuordnen. Dabei ist das alles nicht plötzlich geschehen, sondern über Jahrzehnte-langes Abwegen der Vorteile (leicht, billig, vielfältig, usw.) mit den Nachteilen...Moment welche Nachteile? Damals wie heute konnte doch Plastik bedenkenlos wieder verbrannt oder an andere Nationen verkauft werden; getreu dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“. Wo ist dann der Nachteil für uns Bürger in Deutschland?
Doch die parallel entwickelte Globalisierung unserer Gesellschaft (klar abzugrenzen von der wirtschaftlichen Globalisierung) fing mit dem erweiterten Ausbau des Internets an, also frühestens Mitte/Ende der 90’er Jahre. Die Sozialen Netzwerke, wie Facebook oder Twitter, und die damit einhergehende freie Informationsverteilung über den gesamten Globus (China mal ausgenommen) ebenso erst 10 Jahre später. Wenn wir nun davon ausgehen, dass wir die Möglichkeit der Kommunikation in den Sozialen Medien in den ersten Dekade seiner Existenz damit verbracht haben, uns daran zu laben wie akrobatisch und süß kleine Kätzchen sein können und welches Essen wie serviert wurde; resümierend also eher zum Spaß und ego-sozial orientiert, kann man somit daraus schließen, dass die aktuelle Generation die erste sein kann, die „echte“ Menschheits-relevante, global-soziale Themen aus unterschiedlichen Informationsquellen aufnehmen, bewerten und einsortieren kann. Diese Möglichkeiten sehe ich bei keiner vorangegangenen Generation im gleichen Ausmaß, wie wir sie heute zur Verfügung stehen haben.
Kommen wir nun wieder zurück zum Zwiespalt des gewohnten Umgangs mit Plastik und der neu ins Bewusstsein gerufenen Nachteile: Meiner Meinung nach nehmen wir eine neue Bewertung der Daseinsberechtigung von Plastik vor und wiegen diesen gegen den vererbten Lebensstil auf. Wenn wir uns nun vor Augen halten, dass wir im Laufe unserer Menschheitsgeschichte in nur 60 Jahren ein Umweltproblem geschaffen haben, dass nicht nur Lebensräume vieler Tiere nachweislich zerstört hat, sondern auch unseren eigenen und den unserer Nachkommen gefährdet, ist ein Umdenken unserer Haltung zu Plastik unausweichlich. Ich für meinen Teil habe meinen Schluss gezogen und möchte aus unseren Fehlern lernen und diese gefährliche Entwicklung nicht einfach nur hinnehmen und die Lösung dieses Problems auf die nächste Generation verschieben...nicht noch eine Generation länger die gleichen Fehler machen!
Ist Plastik überhaupt ein Problem für uns Menschen?
Denken wir nur an die relativ kürzlich gewonnene Erkenntnis über die Mikroplastiken[1],
die wir durch unsere Lebensmittel zu uns nehmen könnten. Da das Plastikproblem nicht mal mehr für das Auge sichtbar ist, begleitet mich das Plastikproblem bei jedem als frisch gekennzeichneten Fisch im Restaurant oder einem Schluck Leitungswasser. Dieser Ausflug soll auch keine „Panik-mache“ darstellen, sondern lediglich meine Art des Umweltbewusstseins aufzeigen welches mich dazu motiviert hat Gewohnheiten in unserem Alltag nicht mehr einfach nur hinzunehmen, sondern zu Handeln.
Eine interessante Statistik über die bisher von der Menschheit produzierte und in Umlauf gebrachte Menge an Plastik wird in einem Artikel im Manager Magazin [5] aufgeführt:
Nach dieser Statistik hat die Menschheit bis zum Jahr 2015 8,3 Mrd. Tonnen Plastik produziert, wobei 0,5 Mrd. Tonnen selbst nach ergriffener Recyclingmaßnahmen als unbrauchbares Plastik (bspw. in Form von Schlacke nach Verbrennung oder verunreinigte Plastikpartikel, etc.) zurückgeblieben sind. Und genau hier liegt aus meiner Sicht das Problem: 6% allen Plastiks hinterlassen wir als Erbe auf dem Planeten (Tendenz steigend).
Wie groß ist das Plastikproblem und welche Einheit hat es dann?
Für die weitere Betrachtung wird das Plastikproblem als Plastikerbe bezeichnet und repräsentiert den Anteil des Plastikmülls, der sich nicht Recyceln lässt. Somit ist das Plastikerbe eine inverse Betrachtung der Recyclings, wie nachfolgend dargestellt wird:
Plastikerbe = Plastikabfall – Recyclingfähiger Plastikabfall
Plastikerbe-Quote = 100% - Recycling-Quote
Auf Basis dieser Statistik lassen sich Interessante Kennzahlen als Mittelwert aus 65 Jahren Plastikproduktion ableiten:
· Pro Jahr haben wir 127,7 Mio. Tonnen Plastik weltweit produziert
· Pro Jahr hinterlassen wir ein Plastikerbe von 7.7 Mio. Tonnen weltweit
· Das entspricht weltweit pro Mensch und pro Jahr 17,25 kg Plastikproduktion und ein Plastikerbe von 830 g
Wenn wir als Einheit nun etwas aus unserem Alltag heranziehen (dem Umweltbewusstsein wegen) also bspw. eine Plastiktüte mit einem Eigengewicht von 20g pro Plastiktüte [1], dann ist unser aller Plastikerbe pro Jahr und Mensch 41,5 Plastiktüten groß; in Nepal, Ghana, Amerika und Deutschland gleichermaßen.
Welchen Beitrag leistet Deutschland an der weltweiten Plastikproduktion?
Das deutsche Umweltministerium hat unter dem Titel „Wegwerfgesellschaft“ einen fast interessanten, wenn auch nicht ganz transparenten und mit 11 Seiten viel zu kurzgeratenen Artikel über u.a. die angefallenen Verpackungen im Jahr 2016 herausgebracht [2]. Da die Zahlen nicht eindeutig genannt werden, möchte ich den wesentlichen Absatz für die weitere Betrachtung hier einfügen:
„.. der jährliche Verpackungsverbrauch pro Einwohner in Deutschland ... lag im Jahr 2016 statistisch bei rund 220 kg pro Person. Diese Zahlen beziehen sowohl die Verpackungen aus Haushalten als auch die aus Industrie und Gewerbe ein. Der Anteil des Verpackungsverbrauchs privater Endverbraucher liegt aktuell bei jährlich 103 kg pro Person. Rund 47 Prozent aller Verpackungen gehen damit auf das Konto von Privatpersonen. Daran machen Kunststoffverpackungen mit rund 25 kg pro Person etwa ein Viertel des Verpackungsverbrauchs privater Endverbraucher aus.“
Also... 220 kg Verpackungsverbrauch davon 55kg Plastik (25%) pro Person im Jahr 2016 in Deutschland die wir nun mit den 17,25 kg Plastikproduktion pro Jahr und Mensch weltweit ins Verhältnis setzen können:
Es zeigt sich, dass wir Deutschen die Weltweite Plastikproduktion um den Faktor 3,2 beschleunigen.
Das bedeutet anders ausgedrückt, dass wir in Deutschland 3,2 mal soviel Plastik produzieren als der weltweite Durchschnitt. Das makabre an dieser Zahl ist jedoch, dass hier lediglich die Verpackungsmaterialien gezählt wurden, nicht jedoch weitere industriell verwendete Plastiken (bspw. aus dem Automobilbau, Hausbau, Technologie, etc.) sowie die Plastiken unserer Alltagsgegenstände (Küchengeräte, Werkzeuge, etc.). Eine Zahl die auf die Plastikproduktion in Deutschland schließen ließe, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen, es ist jedoch davon auszugehen, dass der Faktor 3,2 uns schmeicheln soll. Aus diesem Grund belasse ich es für die weitere Betrachtung bei den 55 kg Plastik die in Deutschland pro Person produziert werden.
Kleine Randnotiz: Zur Verifizierung der Zahlen habe ich noch einen Blick in die Abfallbilanz des statistischen Bundesamtes geworfen und kann dort 8 Mio Tonnen entnehmen [3], wobei ich die noch fehlenden 0,5 Mio Tonnen durch falsch-sortierten Hausmüll vermute. Es wird in der Statistik eine Recyclingquote von >80% und eine Verwertungsquote von sagenhaften 99% angegeben. Vergleichen wir die Recyclingquote von 99% mit den zuvor ermittelten 6% Plastikerbe auf der Welt wird schnell klar, dass die Statistik anders aufgebaut sein muss: Sie berücksichtigt nicht die Qualität der Recyclingmethoden wie bspw. Plastik das bereits einmal einem Recycling unterzogen wurde und nun nicht mehr tauglich dafür ist oder die Schlacke, die bei der Müllverbrennung nach der Verbrennung übrig bleibt. Laut dem statistischen Bundesamt sind beide Hauptverursacher unseres Plastikerbes zu 100% als Recycelt bewertet! Dann darf man sich auch nicht wundern wenn die Regierung den Handlungsbedarf in Bezug auf unseren Plastikkonsum anders bewertet, wenn selbst das statistische Bundesamt keine passende Statistik vorweisen kann, die unser Plastikproblem offenbaren könnte.
Wie groß ist das in Deutschland verursachte Plastikerbe?
Bei einer Plastikproduktion von 55kg im Jahr und einer Recyclingquote von optimistischen 98% [1] (davon 45% Werkstoffliche Verwertung, 52% energetische Verwertung), kommen wir pro Einwohner Deutschlands auf ein Plastikerbe von 55 Plastiktüten (=1,1 kg) im Jahr 2016.
Wir erinnern uns: Das durchschnittliche Plastikerbe pro Mensch und Jahr liegt bei 41,5 Plastiktüten (=830g). Obwohl wir wieder die Einschränkung haben, dass es sich hier nur um Plastik aus dem Verpackungsverbrauch handelt und industrielles Plastik außen vorgelassen ist, kann man bereits eine überdurchschnittlichen Plastikbedarf um 10 Plastiktüten pro Einwohner und Jahr im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt erkennen.
Mit der Annahme, dass die industrielle Produktion von Plastik genauso groß ist wie die der Verpackungsindustrie, kann man vereinfacht von einer deutschen Plastikproduktion in Höhe von 110 kg (55kg x 2) und einem Plastikerbe (2% von 110kg) 110 Plastiktüten (=2,2 kg) pro Einwohner Deutschlands und pro Jahr ausgehen. Dadurch steigt der tatsächliche Beitrag am Plastikerbe eines jeden Deutschen pro Jahr auf den Faktor 2,7 im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt von 41,5 Plastiktüten.
Unabhängig davon ob die Zahlen, die von den Amerikanern (Science Advances) erhoben wurden, exakt stimmen und ob auch die Plastikproduktion in den Schwellenländern berücksichtigt wurde, reden wir seit Anbeginn unserer plastikdominierten Menschheitsgeschichte von einem riesen Haufen an Plastik, der uns alle überleben wird und den wir unseren Nachkommen hinterlassen, den wir jedoch nicht einmal beziffern können.
Zugegebenermaßen beruht diese Betrachtung unseres Plastikerbes auf fragwürdigen Statistiken und vielleicht auch Methoden des Vergleichs heute mit dem Durchschnitt unser Plastik-Menschheitsgeschichte, jedoch stelle ich mir die Frage, wieso das Thema Plastikerbe oder der Messbarkeit von Plastikkonsum generell nicht als Benchmark unseres Konsumverhaltens zum Einsatz kommt. Fakt ist, dass wir immer mehr Plastik produzieren ohne uns darüber Gedanken zu machen, ob es denn überhaupt nötig ist und welche Konsequenzen zukünftige Generationen damit haben werden. Besonders Besorgnis erregend finde ich dann die so oft genannte Anzahl von 320.000 Kaffeebechern, die wir täglich bedenkenlos wegwerfen. Das muss sich ganz dringend ändern! Nicht nur bei uns in Deutschland, sondern weltweit.
Ich hoffe, Ihr konntet die Zahlenspielereien und meine Gedanken nachvollziehen, damit Ihr diese in Form eigener Gedankenspielerein in Euren eigenen Alltag, bspw. durch Gespräche im eigenen Freundeskreis oder durch bewussteres Konsumverhalten, einfließen lassen könnt. Teilt Eure Meinung gerne in Kommentaren.
Referenzen:
[3] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/Abfallwirtschaft/Publikationen/Downloads-Abfallwirtschaft/abfallbilanz-pdf-5321001.html Hinweis: Bei Betrachtung der Kategorien „Siedlungsabfälle“ und den Einzelpositionen „gemischte Verpackungen / Wertstoffe“ und „Sonstiges (Verbunde, Metalle, Textilien usw.)“
[5] Mens Health Online-Ausgabe: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/industrie/plastik-fuenf-grafiken-zum-problem-mit-muell-aus-kunststoff-a-1206656-6.html )
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